Evaluation des Opferhilfegesetzes (2015)

Laufzeit

2015 (abgeschlossen)

Projektleitung

Prof. Dr. iur. Jonas Weber

Prof. Dr. iur. Marianne Johanna Hilf

Prof. (FH) Dr. phil. Ueli Hostettler

Prof. Dr. rer. soc. Fritz Sager (Kompetenzzentrum für Public Management)

Mitautoren

Prof. Dr. iur. Christopher Geth

Nicolas Leu MLaw

Dr. iur. Jann Schaub LL.M.

Nora Scheidegger MLaw

Ausgangslage und methodisches Vorgehen

Gemäss Art. 124 der Bundesverfassung (BV; SR 101) sorgen Bund und Kantone dafür, dass Personen, die durch eine Straftat in ihrer körperlichen, psychischen oder sexuellen Unversehrtheit beeinträchtigt worden sind, Hilfe erhalten und angemessen entschädigt werden, wenn sie durch die an ihnen verübte Straftat in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Das Bundesgesetz über die Hilfe an Opfer von Straftaten (Opferhilfegesetz, OHG; SR 312.5) konkretisiert diese Verfassungsbestimmung.

Das Bundesamt für Justiz (BJ) hat am 30. Oktober 2014 die Evaluation des Opferhilfegesetzes ausgeschrieben. In der Folge beauftragte das BJ das Institut für Strafrecht und Kriminologie (ISK) der Universität Bern mit der Durchführung der Evaluation. Das BJ wurde in der Begleitung der Evaluation von einer aus Fachleuten aus der Praxis bestehenden Gruppe unterstützt. Diese Begleitgruppe hat sowohl die Offerte als auch den Schlussbericht beraten und ihre Anmerkungen dazu eingebracht. Als Evaluationsgegenstand waren die Bestimmungen des OHG und die opferrelevanten Normen der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) vorgegeben. Mit der Evaluation sollten drei Zwecke verfolgt werden:

  • Aufzeigen von Optimierungs- und Verbesserungspotential
  • Rechenschaftslegung
  • Wissensgenerierung

Das BJ gab folgende vier übergeordnete Fragestellungen vor, die im Rahmen der Evaluation beantwortet werden sollten:

  • lnwiefern trägt das OHG den Bedürfnissen der verschiedenen Opferkategorien (v.a. Kindern, Opfer häuslicher Gewalt, Ausländerinnen und Ausländer) Rechnung?
  • Inwiefern wirkt sich die neue Strafprozessordnung auf die Situation der Opfer aus?
  • Inwiefern ist die finanzielle Hilfe für die Opfer nach dem OHG ausreichend und in der ganzen Schweiz gleichmässig bemessen sowie nützlich und angemessen?
  • lnwiefern ist der Vollzug des OHG und der opferrelevanten Bestimmungen der StPO durch die relevanten Beteiligten als funktionierend zu beurteilen? Inwiefern ist die Organisation der relevanten Beteiligten als funktionierend zu beurteilen?

Für jede Hauptfrage hat das BJ in der Ausschreibung jeweils Unterfragen vorgegeben, die den Ausgangspunkt für die inhaltliche Unterteilung innerhalb der vier Module bildeten. Um die Evaluationsziele zu erreichen und die vorgegebenen Fragestellungen zu beantworten, wurden vom Evaluationsteam je Unterfrage verschiedene Zugänge und verschiedene Arten der Datenerhebung ausgewählt. Es wurden sowohl quantitative als auch qualitative Datenerhebungen durchgeführt sowie verschiedene andere Quellen berücksichtigt:

  • Qualitative Erhebung I: Teilstandardisierte Interviews (face-to-face; Telefon) mit Personen, die unterschiedliche Fachrichtungen und berufliche Felder repräsentieren (Beratungsstellen, kantonale Entschädigungsstellen sowie Opferanwältinnen und Opferanwälte).
  • Qualitative Erhebung II: Fokusgruppeninterviews mit Fachpersonen aus dem Bereich Kindesschutz (Beratungsstellen, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden sowie Opferanwältinnen und Opferanwälte).
  • Quantitative Befragungen: Online-Fragebogen an Strafverfolgungsbehörden (kantonale Polizeikorps, Staatsanwaltschaften, Jugendanwaltschaften), erstinstanzliche Gerichte (Strafgerichte, Jugendgerichte), Beratungsstellen und Anwältinnen und Anwälte (Opferanwältinnen und Opferanwälte sowie Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger).
  • Weitere Quellen: Sekundäranalyse statistischer Daten, insbesondere des Bundesamtes für Statistik (BfS; Opferhilfestatistik); zusätzliche Umfrage bei den kantonalen Entschädigungsstellen und Beratungsstellen bezüglich des finanziellen Aufwands der Kantone für die Opferhilfe; Einbezug von relevanter Rechtsprechung (unter anderem kantonale Urteile aus der Datenbank des BJ); Materialien und (juristische) Literatur.

Der vorliegende Schlussbericht gliedert sich entsprechend der vier Hauptfragen in vier Module (Opferkategorien; Auswirkungen der StPO auf Opfer; Finanzielle Hilfe; Organisation und Vollzug) und enthält Empfehlungen, die das interdisziplinäre Evaluationsteam gestützt auf die erhobenen Daten und die weiteren Quellen erarbeitet hat. Das Evaluationsteam versteht die juristische Interpretation als wesentlichen Teil des vorliegenden Schlussberichts, aus der die Empfehlungen hervor gingen.

Ergebnisse

Die Evaluation ergab, dass sich das revidierte OHG (in Kraft seit 1. Januar 2009) und die opferrechtlichen Bestimmungen der StPO (in Kraft seit 1. Januar 2011) im Grossen und Ganzen bewährt haben. Auch die Umsetzung und der Vollzug dieser Normen funktioniert insgesamt gut. Trotzdem konnte das Evaluationsteam in mehreren Bereichen Verbesserungspotential identifizieren. Vereinzelt machten die befragten Fachpersonen zudem auf Missstände aufmerksam, die nach Ansicht des Evaluationsteams einen Handlungsbedarf begründen.