Aktuelles

03. November 2023 – Publikation der Evaluation des Hooligan-Konkordats sowie der dazugehörigen juristischen Studie

Im Jahr 2019 wurde die Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren*innen (KKJPD), dem fedpol, der Swiss Football League und den SBB mit der Evaluation des revidierten Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen (umgangssprachlich als Hooligan Konkordat bezeichnet) beauftragt. Das Hooligan Konkordat trat 2012 in Kraft und enthält verschiedene Fernhaltemassnahmen und an die Spielbewilligung geknüpfte Auflagen, die im Rahmen der Evaluation hinsichtlich ihrer Umsetzung und Wirksamkeit überprüft werden sollten. Die Ergebnisse wurden den Auftraggebern im Herbst 2020 zur Kenntnis gebracht, aufgrund der Pandemie und der nachfolgenden politischen Diskussionen rund um personalisierte Tickets aber noch nicht veröffentlicht. Am Dienstag, dem 17. Oktober 2023, wurde die Evaluation durch die KKJPD publiziert. In der medialen Berichterstattung stiessen die Ergebnisse der Evaluation auf Resonanz, wobei verschiedene Aspekte verkürzt und teilweise zu wenig differenziert dargestellt wurden. Entsprechend soll an dieser Stelle kurz auf einige Aspekte des Evaluationsberichts eingegangen werden.

  1. Betrachtungszeitraum und Übertragbarkeit: Die Evaluation analysierte umsetzungs- und wirkungsbezogene Daten rund um die Super League Spiele der Saisons 2015/2016 bis 2018/2019, weshalb die Ergebnisse nicht ohne Weiteres auf die aktuelle Lage übertragen werden können. Fest steht jedoch, dass sich – analog zu den ereignisbezogenen Daten im Betrachtungszeitraum der Evaluation – gewaltsame Ereignisse rund um Super League Spiele der Saisons 21/22 und 22/23 hauptsächlich auf den Reisewegen, und damit ausserhalb der Stadien, abspielten.
  2. Wirksamkeit von Meldeauflagen: Gerade auf den Reisewegen zeigten im Rahmen der Evaluation die Grenzen des Rayonverbots, welches die am häufigsten verfügte Fernhaltemassnahme darstellte. Die Meldeauflage bietet eine bessere Fernhaltung bei Auswärtsspielen als das Rayonverbot, kann aufgrund umsetzungsbezogener Schwierigkeiten (hoher Aufwand für Polizeikorps und Betroffene) sowie rechtlicher Hürden für das Verfügen nur begrenzt als Lösung für eine umfassendere Fernhaltung betrachtet werden.
  3. An die Spielbewilligung geknüpfte Auflagen: Gerade bei den einschneidenderen Auflagen (bspw. Sektorsperren oder Kombi-Tickets), die sich gegen grössere Teile der Fans richten, war die Datenbasis der Evaluation relativ begrenzt. Aufgrund der seit Frühling 2023 vermehrt ausgesprochenen Sektorsperren ist davon auszugehen, dass hier mittel- bis langfristig mehr verwertbare Daten vorliegen und somit genauere Aussagen zur Wirksamkeit gemacht werden können. Existierende Forschungsresultate aus dem In- und Ausland deuten jedoch darauf hin, dass die Verwendung von Auflagen, die sich gegen das Kollektiv richten, eine kontraproduktive Dynamik bewirken kann.
  4. Gesamtwirksamkeit des Hooligan Konkordats: Die Gesamtwirksamkeit des Konkordats wurde unterschiedlich beurteilt. Neben positiven Auswirkungen konnten auch kontraproduktive Effekte des Konkordats eruiert werden. Mit Blick auf die ereignisbezogenen Daten kann festgehalten werden, dass auch mit dem Hooligan Konkordat keine umfassende Reduktion der gewaltsamen Zwischenfälle erfolgt ist. Die Daten erlauben jedoch keine Aussage darüber, wie sich die Lage ohne Hooligan Konkordat entwickelt hätte.
  5. Handlungsempfehlungen: Als Fazit der Evaluation wurden verschiedene Handlungsempfehlungen formuliert, welche die Situation rund um die Fussballspiele der Super League verbessern können. Neben der Verbesserung der Datenlage, einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen Polizei und Fussballclubs, der Nutzung von spezifischen Kompetenzzentren bei der Abarbeitung von Zwischenfällen, der Förderung von früh ansetzenden Präventionsprojekten und einer Studie zu bestehenden rechtlichen Fragen bei der Verfügung von polizeilichen Massnahmen wird auch eine Anpassung der Gewaltdefinition des Hooligan Konkordats vorgeschlagen. Ansatzpunkt der letztgenannten Empfehlung war die im Rahmen der Evaluation von vielen Befragten geäusserte Kritik am Gewaltbegriff des Konkordats, die sich insbesondere auf die Verwendung von Pyrotechnik als Stilmittel bezog. Wir gehen davon aus, dass mit einer solchen Anpassung die Legitimität und damit die Unterstützung des Konkordats gesteigert werden könnte. Es ist unklar, wie die formulierte Empfehlung von den unterschiedlichen Anspruchsgruppen bewertet wird. Wir hoffen aber, dass er zumindest einen Beitrag zur Wiederaufnahme einer konstruktiven Diskussion in diesem Bereich leisten kann.

Die vorgeschlagene Studie zu den bestehenden rechtlichen Fragen wurde von der Forschungsstelle selbst im Jahr 2021 zuhanden der KKJPD verfasst. Behandelt wurden Problemfelder, die in der Praxis zu Unsicherheiten führten und durch die Rechtsprechung teilweise unterschiedlich beurteilt wurden. So wurde beispielsweise der Frage nachgegangen, ob die Integration einer Extrazugfahrt in ein Rayonverbot oder eine Kombination von Rayonverbot und Meldeauflage rechtlich zulässig wäre. Zudem wurde vertieft geprüft, ob Verjährungsfristen für die Verfügung polizeilicher Massnahmen und eine elektronische Umsetzung einer Meldeauflage umsetzbar und zweckmässig erscheinen.

Der Gesamtbericht der Evaluation des Hooligan Konkordats sowie die darauf bezogene juristische Studie stehen auf der Homepage der Forschungsstelle zum Download zur Verfügung. Die Ergebnisse dieser umfangreichen Arbeiten fliessen in aktuelle Projekte, so etwa das Projekt „Progresso“, mit ein. Die Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen freut sich, auch in Zukunft mit ihren Projekten zu Verbesserungen in der Praxis und einer Versachlichung der oft emotional geführten Diskussionen beitragen zu können.

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25. bis 27. Februar 2023 – Forschungsreise nach England

 

Im Rahmen der intensiven Zusammenarbeit mit Prof. Clifford Stott von der Keele University nahm das Team der Forschungsstelle «Gewalt bei Sportveranstaltungen» (Violence around Sport Events, «VaSE») in England an einem Workshop zum Thema «Enabling an Evidence Based Approach to Football Policing» teil. Verbunden wurde diese Forschungsreise mit der Beobachtung eines Fussballspiels in Coventry sowie einem breit geführten Diskurs über zukünftige gemeinsame Forschungsprojekte.

Am Samstagmittag das Team gemeinsam mit Prof. Stott sowie zwei Polizisten der West Midlands Police das Championship-Spiel zwischen Coventry City und dem AFC Sunderland. Die Begegnung wurde von der West Midlands Police als Mid-Risk-Spiel eingestuft, da die beiden Fanlager historisch bedingt in einem eher verfeindeten Verhältnis stehen und die Anhänger des AFC Sunderland üblicherweise in grosser Anzahl an Auswärtsspiele reisen. Für die Forschungsstelle war es sehr spannend, Unterschiede in Fankultur, aber auch in den Grundsätzen des polizeilichen Handelns beobachten zu können. So wurde von der West Midlands Police deutlich näher beim Fan gearbeitet, wohingegen in der Schweiz oftmals eine möglichst grosse Distanz zwischen Polizei und Fans hergestellt wird. Auch die aus der Schweiz bekannte Ganzkörperpanzerung des polizeilichen Ordnungsdiensts suchte man vergebens. Im Anschluss an das Spiel, welches die Heimmannschaft 2:1 für sich entschied, gab es vor dem Stadion zudem eine Auseinandersetzung zwischen einer grösseren Gruppe von Gästefans sowie der Polizei. Auslöser dieser Konfrontation war mutmasslich eine Person, welche eine Polizeisperre passieren wollte und daraufhin von einem der anwesenden Polizisten relativ grob zurückgedrängt wurde. Darauf kam es zu einer Reaktion weiterer Fans. Nach ungefähr 20 Minuten und mehreren physischen Aufeinandertreffen beider Gruppen wurden die Gästefans in die bereitstehenden Reisebusse gedrängt. In einem kurzen Debriefing innerhalb der Beobachtungsgruppe wurde diese Situation ausgiebig diskutiert und mögliche Handlungsoptionen besprochen.

Am darauffolgenden Montag organisierte die Keele Policing Academic Collaboration (KPAC) einen Workshop zum Thema evidenzbasiertes polizeiliches Handeln im Rahmen von Fussballspielen. Neben verschiedenen Referenten aus England konnte auch Alain Brechbühl, Projektverantwortlicher der Forschungsstelle VaSE, ein Inputreferat über die betriebene Forschung in der Schweiz halten. Dabei wurden einerseits bestehende Grundlagen und Herausforderungen für die Praxis in der Schweiz aufgezeigt, andererseits konnten auch bisherige Forschungsresultate von VaSE vorgestellt werden. Daran anschliessend war es möglich, laufende und angedachte Forschungsprojekte zu skizzieren. Neben den Referaten gab es im Laufe des Tages immer wieder die Möglichkeit, in Kontakt mit anderen wissenschaftlich arbeitenden Personen mit ähnlichen Themenschwerpunkten zu treten. Durch diesen informellen Austausch konnten die guten Beziehungen zu Forschenden aus England weiter gestärkt werden. Die Forschungsstelle VaSE arbeitet seit vielen Jahren mit Prof. Clifford Stott und dem KPAC zusammen und ist sehr zuversichtlich, dass zukünftig auch weitere gemeinsame Projekte realisiert werden können.

Wir möchten uns ganz herzlich bei allen Personen der West Midlands Police sowie von KPAC bedanken, die die Durchführung dieses Wochenendes ermöglicht haben. Besonders hervorzuheben ist dabei das Engagement von Prof. Clifford Stott, der die Organisation und die Leitung der Spielbeobachtung sowie des Workshops übernahm.

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16. Oktober 2022 - Besuch des Stockholmer Derbys

Die Forschungsstelle «Gewalt bei Sportveranstaltungen» (Violence around Sport Events, «VASE») pflegt bereits seit mehreren Jahren einen intensiven Austausch mit Prof. Clifford Stott der Keele University (UK), wie auch mit der Stockholmer Polizei. Im Rahmen eines internationalen Austauschs organisierte die Forschungsstelle nun gemeinsam mit Prof. Stott einen Spielbesuch in Stockholm. Anlässlich des 198. «Tvillingderbyt», des Stockholmer Derbys zwischen Djurgårdens IF und AIK Stockholm am 16. Oktober 2022, wurde eine Delegation der Kantonspolizei Bern sowie durch Prof. Stott mehrere englischen Polizeikorps eingeladen, um die schwedische Polizeiarbeit an einem Hochrisikospiel in nächster Nähe zu beobachten.

Am Tag vor dem Spiel wurde durch die Stockholmer Polizei ein Workshop durchgeführt, der die Grundlagen der Polizeiarbeit in Schweden sowie die konkrete Organisation und das Management des anstehenden Derbys zum Inhalt hatte. Dabei gab es für die Polizisten aus England und der Schweiz die Möglichkeit, sich vertieft mit der polizeilichen Strategie im Umgang mit Fussballfans auseinanderzusetzen. Mit der sog. Evenemangs Polis besitzt die Stockholmer Polizei eine Einheit, welche speziell für den Dialog mit den Fans eines Fussballvereins geschaffen wurde. Die Stockholmer Polizei verfolgt insgesamt eine stark dialogorientierte Strategie, sodass die Kommunikation zwischen Polizei und Fans einen hohen Stellenwert geniesst.

Dies wurde am darauffolgenden Spieltag immer wieder deutlich: Bereits mehrere Stunden vor dem Spiel wurden die organisierten Fans von Djurgården in der Innenstadt von der Evenemangs Polis angesprochen und bis zu deren Ankunft beim Stadion auch immer wieder den Kontakt zu ihnen gesucht. So konnte bspw. verhindert werden, dass die beiden rivalisierenden Fanszenen auf dem Weg an das Spiel in der U-Bahn aufeinandertreffen. Während des Derbys herrschte eine sehr gute Stimmung, das Spiel war umkämpft und spannend, bis in der 85. Spielminute erste Knallpetarden im Sektor der AIK-Anhänger detonierten und pyrotechnische Gegenstände in den benachbarten Sektor geworfen wurden. Als Folge überschritten vermummte Anhänger von Djurgårdens IF die Absperrungen und begaben sich in Richtung des Gästesektors. Mittels Einsatzes der Stadionsicherheit, der Evenemangs Polis sowie dem Ordnungsdienst der Stockholmer Polizei konnte eine grössere Auseinandersetzung verhindert werden. Nach einem längeren Unterbruch konnte das Spiel zu Ende gespielt werden, wobei AIK Stockholm mit 2:1 siegte. Nach dem Spiel wurden beide Fanlager wiederum von der Evenemangs Polis sowie dem Ordnungsdienst in die Innenstadt zurückbegleitet.

Das Team der Forschungsstelle konnte neben der Organisation der Reise auch diverse wissenschaftliche Inputs beisteuern und erlebte Situationen in einem fachlichen Rahmen einbetten. Die Reise nach Stockholm wurde von allen Beteiligten als sehr wertvoll eingestuft und die Wichtigkeit von Spielbesuchen im Ausland betont. In einem abschliessenden Debriefing wurde die Rolle der Evenemangs Polis diskutiert und reflektiert, welche Aspekte allenfalls für die eigenen Einsätze übernommen werden könnten. Auf akademischer Stufe ist angedacht, die Zusammenarbeit mit Prof. Stott weiter zu vertiefen. Die Forschungsstelle wird sich entsprechend auch in Zukunft in internationalen Projekten rund um die polizeiliche Begleitung von Fussballspielen engagieren.

Für die grossartige Organisation möchten wir uns insbesondere bei Jens Lindgren der Stockholmer Polizei sowie Mats Jonsson, dem Sicherheitsverantwortlichen von Djurgårdens IF, ganz herzlich bedanken. Ein herzlicher Dank geht auch an alle Teilnehmer der Delegation.

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Statement zu den Beschlüssen der ausserordentlichen Generalversammlung der Swiss Football League vom 20. Mai 2022

Zurzeit erreichen die Forschungsstelle verschiedene Anfragen für ein Statement bezüglich der beschlossenen 12er Liga und dem Play-off Spielmodus. Entsprechend sollen hier einige sicherheitsrelevante Punkte aufgeführt werden.

Aufstockung der Liga auf 12 Teams

Bei der Aufstockung der Super League von zehn auf 12 Teams wird viel davon abhängen, welche Teams letztlich an der Super League-Meisterschaft teilnehmen. Dabei gibt es offene Fragen, die sich auf die lokale Infrastruktur (Stadion) und die damit verbundenen Reisewege beziehen. Kurze Reisewege zwischen Bahnhof und Stadion, eine konsequente Trennung der beiden Fanlager und eine moderne Stadioninfrastruktur reduzieren die Wahrscheinlichkeit von aggressivem Verhalten der Zuschauer. Auch das Verhältnis zwischen den beiden Teams, die ein konkretes Spiel bestreiten, – mögliche Rivalitäten oder Derbys – ist ein Einflussfaktor.

Die Aufstockung bedeutet, dass neu sechs anstatt fünf Spiele pro Runde ausgetragen werden. Entsprechend steigt schweizweit betrachtet der Sicherheitsaufwand, wobei aber davon auszugehen ist, dass sich der Aufwand pro Spiel auf lokaler Ebene nicht verändern sollte (beispielweise für die Stadt Bern). Für die SBB als Transportpartner ergibt sich hingegen ein Mehraufwand im Hinblick auf Rollmaterial und Personal. Der konkrete Mehraufwand kann jedoch erst beziffert werden, sobald die einzelnen Teams feststehen. So reisen Teams mit einer kleineren Fankurve oftmals auch mit Bussen oder individuell zu Auswärtsspielen, während grössere Fankurven üblicherweise mit dem Extrazug unterwegs sind.

Play-Off Modus

Der gewählte Play-Off Modus, in welchem in einer letzten Runde (1) ein Championship-Final unter den besten beiden Teams der Tabelle in einem «Best-of-Three» Modus sowie (2) Europe Play-offs mit Viertelfinal, Halbfinal und Finalspiel zur Bestimmung der Teams für die europäischen Ligawettbewerte durchgeführt werden soll, scheint nicht unumstritten.

Gemäss Kenntnis der Forschungsstelle bestehen keine genauen Vergleichswerte zu einem solchen Modus. Im Hinblick auf die Play-Off Spiele kann aber davon ausgegangen werden, dass diesen eine grosse Bedeutung in der Saison zukommen wird. Dies kann gemäss vorliegenden Forschungsresultaten einen Einfluss auf die Auslösung von aggressivem Verhalten rund um Fussballspiele haben. Im Fussball kennt man dies vor allem von den Anhängern des verlierenden Teams und insbesondere bei Personen, die eine überaus hohe Identifikation mit ihrem Club bzw. Team aufweisen. Frustration oder emotionale Reaktionen können die Konsequenz sein, was die Wahrscheinlichkeit von aggressivem Verhalten erhöht. Es gibt jedoch Forschungsresultate aus den USA, die besagen, dass Krawalle auch bei den Anhängern des Siegerteams auftreten können. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn es bereits länger her ist, dass das betreffende Team eine Meisterschaft gewonnen wurde, oder aber auch, wenn das Spielresultat knapp und spannend ausfällt.

Mit der hohen Bedeutung kann gleichzeitig eine Erhöhung der Anzahl Zuschauer für diese Play-off Spiele erwartet werden. Eine höhere Zuschauerzahl bringt Herausforderungen für alle involvierten Player mit sich. Dazu gehören die SBB, die in der Regel Extrazüge für die Gästefans stellen, andererseits aber auch die Polizei und der Heimklub, die sich erfahrungsgemäss mit einem grösseren Sicherheitsdispositiv aufstellen müssen. Gleichzeitig stellt dies auch die organisierten Fans vor eine Herausforderung. So ist zu erwarten, dass sich bei solchen Spielen Fans in der Kurve finden, die viele der bestehenden informellen Regeln nicht kennen und nicht in bestehende Fanstrukturen integriert sind. Das stellt die Selbstregulation der Fans auf die Probe. Ein mögliches Beispiel wäre, dass Personen Pyrotechnik verwenden, die sich nicht damit auskennen.

Ein Grossteil der organisierten Fans scheint gegen die Einführung des Play-Off Modus zu sein, was man auf Bannern anlässlich der vergangenen Spiele feststellen konnte. Wie sich in Vergangenheit zeigte, sind die Fankurven gut organisiert und miteinander vernetzt. Eine Reaktion mittels koordiniertem, kurvenübergreifendem Widerstand kann nicht ausgeschlossen werden.

 

Unter Berücksichtigung dieser Punkte kann im Sicherheitsbereich also von einem Mehraufwand durch die beschlossenen Entscheide ausgegangen werden. Die Erfahrung zeigt aber, dass es durchaus möglich ist, bedeutsame Spiele in einem friedlichen Rahmen durchzuführen. Die dargelegten Zusammenhänge haben lediglich Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines Auftretens. Unsere Forschung (wie auch Forschungsresultate aus dem Ausland) zeigt, dass das Risiko für aggressives Verhalten zu grossen Teilen über den konkreten, situativen Kontext mit den anwesenden Gruppen (bspw. Fans und Polizei) und ihrem Verhalten beeinflusst wird. Der fortwährende Dialog und der Einbezug aller relevanten Partner (inklusive Fans!) sind dabei von grosser Wichtigkeit.

Neben den hier dargestellten, sicherheitsrelevanten Überlegungen spielen sicherlich noch zahlreiche weitere Aspekte eine Rolle, die nicht Bestandteil dieses Statements bilden. Wir sind überzeugt, dass die SFL und ihre Clubs in engem Austausch mit allen Partnern die bestmögliche Umsetzung der getroffenen Entscheide gewährleisten wird. Dazu gehören insbesondere die lokalen Bewilligungsbehörden, die durch die im Hooligan-Konkordat verankerte Bewilligungspflicht für Fussballspiele der Super League das letzte Wort haben werden.

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26. April 2022 - Besuch einer Polizeidelegation aus den USA

Die Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen ist seit dem Herbst 2020 am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern angegliedert und führte seither erfolgreich verschiedenste Projekte in enger Kooperation mit Praxispartnern, darunter auch Polizeikräfte, durch.

Im Februar 2022 begleitete die Forschungsstelle den Besuch einer Delegation des Seattle Police Departments sowie der Columbus Division of Police. Die Vertreter der Police Departments aus den USA reisten für mehrere Wochen nach Europa, um einen fachlichen Austausch mit verschiedenen lokalen Polizeikorps zu führen. Ziel dieses Austauschs ist ein Beitrag an die aktuellen Polizeireform-Bemühungen der beiden Korps zu leisten. Dabei geht es insbesondere um die Verbesserung der eigenen Fähigkeiten im Management von Massenveranstaltungen, insbesondere im Zusammenhang mit den durch den ersten Verfassungszusatz geschützten Rechte (Grundrechte). Diese Entwicklung wurde nicht zuletzt durch die die «Black lives matter» Bewegung in den letzten Jahren beschleunigt. Prof. Clifford Stott von der Keele University (GB), mit welchem die Forschungsstelle einen engen Austausch pflegt, agiert dabei als wissenschaftlicher Chefberater der Delegation.

Die Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen organisierte dafür verschiedene Workshops sowie zwei Besuche von Polizeieinsätzen bei Fussballspielen in der Schweiz. Im Vorfeld des Spiels zwischen dem GC Zürich und dem FC Zürich am 5. Februar fand ein intensiver Austausch zwischen der Delegation aus den USA und mehreren Vertretern der Stadtpolizei Zürich statt. Anschliessend konnte das polizeiliche Handeln anlässlich des Zürcher Derbys sehr nah verfolgt werden. Am Wochenende darauf fand ein sehr spannender Austausch mit der Kantonspolizei Bern statt, die unter anderem ihre Grundprinzipien und Einsatzmittel den US-amerikanischen Berufskollegen vorstellten. Am 13. Februar konnte schliesslich die polizeiliche Begleitung rund um das Spiel zwischen dem BSC Young Boys und dem FC Basel verfolgt werden.

Neben der Organisation des Besuchs im Vorfeld gab es durch das Team der Forschungsstelle auch während des Workshops immer wieder fachliche Inputs und Erkenntnisse aus der Wissenschaft, welche in die zukünftige Arbeit der Polizei einfliessen. Die Forschungsstelle wird sich weiterhin an diesem laufenden Projekt beteiligen, und so auch in Zukunft einen grossen Beitrag im Bereich der praxisorientierten Forschung leisten. Ein entsprechender Besuch in Seattle ist bereits in Planung.

Allgemeine Kontaktadresse

Dr. Alain Brechbühl
Universität Bern
Institut für Strafrecht und Kriminologie
Schanzeneckstrasse 1
Postfach
3001 Bern

Telefon: +41 31 684 47 99

alain.brechbuehl@unibe.ch